Verantwortung

„Der Bauer will uns fertig machen.“
Ich kenne die beiden, die da auf dem Willi-Daume-Platz in der Januarkälte schlottern. Na ja nicht persönlich. Aber sie tragen beide den Hoodie vom Feuchtwanger-Gymnasium. Und den Bauer, über den sie reden, kenne ich auch. Herr Dr. Ackermann, Biologie und Chemie. Nickname: Bauer. Seit einem gefühlten halben Jahrhundert traktiert er am Feuchtwanger-Gymnasium die Schüler. Was hatte Ackermann denn den beiden angetan?
„Siebzehn Euro wollen die.“ Der Kleinere hatte die Preise gelesen.
„Pro Person!“
„Scheißegal, Alter, wir haben noch nicht mal genug für eine.“
„Kacke!“
Und mir ist alles klar.
„Hey ihr beiden“ , spreche ich sie an.
„Was hat Euch Dr. Ackermann denn aufgegeben?“
Die Köpfe der beiden fahren herum. Sehen mich ungläubig an.
„Wir sollen ein Referat über das Korallenriff im Sealife halten. Aber ey ganz ehrlich, den Eintritt können wir uns nicht leisten.“
Der Blick auf die Pulsuhr sagt mir, dass ich noch vier Kilometer laufen sollte. Scheiß drauf. Im Moment gibt es Wichtiges zu tun.
„Kommt mit Jungs. Habt Ihr Eure Masken dabei.“
Die beiden nicken und setzen sie auf.
Am Eingang schiebe die Jungs vor mir durch den Personalzugang.
„He was machen sie?“ Der Größere wehrt sich.
„Die Haie hatten heute noch kein Frühstück.“
„Häh“ heult der Kleine auf.
„War nur ein Witz“, beschwichtige ich ihn. „Ich bringe Euch zum Korallenriff und stehe zu Eurer Verfügung, wenn es Fragen gibt. Ich kann Euch mit dem Referat helfen.“
„Und sie sind wer?“ Der Kleine ist misstrauisch. Schlaues Kerlchen.
„Dragan Simic, Meeresbiologe und verantwortlich für das Getier hier.“
„Warum sollten sie das machen, Dragan Simic? Nett sein, meine ich.“
Gute Frage. Ich habe etwas abzuzahlen.
„Ach wisst Ihr“, sage ich leichthin, „Dr. Ackermann hat mich vor fünfzehn Jahren schon ins Sealife geschickt, um ein Referat zu halten. Über Haie. Ich glaube, ich bin einfach sentimental heute.“
Bin ich nicht. Bin ich nie. Aber der Bauer hat mir damals, als er mich frierend vor dem Sealife traf, den Eintritt gezahlt. Und er hat dafür gesorgt, dass ich ein Vollstipendium in Kiel bekommen habe, als er gemerkt hat, dass ich von daheim keine Unterstützung kriege.
Auch heute stand er vor dem Aquarium. Er hat geschaut, ob die Jungs ohne ihn zurechtkommen. Werden sie. Für die beiden bin ich jetzt verantwortlich, Dr. Ackermann. Sie haben schon genug für mich getan.