Eifersucht

Ich fasse es nicht. Die Schlampe, mit der Urs gestern in der Beiz war, ist in der Rhybadi.
Ja ich weiß, ich hätte am Nachmittag nicht mit ihm streiten sollen. Aber ich war sauer. Er weiß genau, wie elend Mama an Lungenkrebs verreckt ist.
Wie ein Engel schaut sie mit ihren blonden Locken und dem weißen Kleid aus.
Was tut sie allein hier? Ach ja, Urs jobbt im Café nebenan. Vielleicht treffen sie sich später.
Die Sonne brennt auf ihre glatte Haut. Komm, Engelchen, geh in den Rhein. Wenn Du Dich nicht auskennst, zeig ich Dir den sicheren Weg in der Strömung.
Wir lassen uns im kühlen Nass am Ausstieg unter der Brücke durchtreiben und schon da, gibts kleine Kolke, in denen die Ahnungslosen schon mal eine Unterwasserrolle macht. Kurz vor dem letzten Haus in Flurlingen kraule ich übers Hinterwasser ans Ufer. Der Rauschgoldengel treibt den Rheinfall runter. Wenn sie sich bis dorthin keinen Schädelbruch an den Steinen geholt hat, ertrinkt sie in der Walze vom Rheinbecken. So sterben sie alle. Der Racheengel hat seine Aufgabe erfüllt.
Natürlich gehe ich auf ihre Beisetzung. Ehrensache, schließlich war Urs auch auf Mamas. Schwarz steht mir gut.
Er wird vor mir stehen, mit Tränen in seinen tiefblauen Augen.
Ich kann seine raue Stimme hören, wenn er mich anspricht.
»Grüezi Lena!«
Ich reiß die Augen auf. Das blonde Gift kniet vor mir.
Scheiße hab ich laut geredet?
»Grüezi«, sag ich automatisch.
Sie lächelt mich an. Sympathisch, niedliche Grübchen.
»Ich konnte mich gestern gar nicht vorstellen. Du warst so schnell weg. Ich bin Nati.« Mein Blick spricht Bände, denn ihr Lächeln verblasst.
»Er hat nie von mir gesprochen, oder?«
Wenn ›er‹ Urs ist, nein Süße, hat ›er‹ nicht. Ich schüttle den Kopf.
»Die Zigarettenschachtel, wegen der Du sauer warst, das war meine.«
Verdammt kann sie hellsehen?
»Was meinst Du«, frage ich mit zittriger Stimme.
Sie hockt sich ins Gras.
»Er hat mir erzählt, dass – und woran Deine Mama gestorben ist.«
Hat er das? Wie schön. Von Dir hat er mir nichts gesagt. Aber warte mal – Nati?
»Nathalie?«
Sie nickt. OMG!
»Du bist wieder da?«
Ihr Lächeln ist dünn.
»Ich bin jetzt clean. Also ich rauch nur noch Zigaretten.«
Und ich bin ein Idiot!
»Schön, dass ich Dich kennenlerne.«
Ich strecke Urs’ Schwester die Hand hin.
»Willst Du eine Runde mit mir im Rhein schwimmen? Ich zeige Dir den sichersten Ausstieg an der Brücke. Danach gehen wir zu Urs, einen Kaffee trinken.