Cabo Verde

Als Gott die Welt geschaffen hatte, rieb er sich zufrieden die Hände. Die Krümel, die herunterfielen, so erzählt man sich auf den trockenen wüstenartigen Inseln landeten im Atlantik und wurden zu den Kapverdischen Inseln.
 
Weniger poetisch klingt die Entstehungsgeschichte in geologischen Worten. Die Inseln sind Überbleibsel unterseeischer Vulkanausbrüche auf dem letzten Gebirgszug der atlantischen Platte vor Afrika. Lange Zeit waren sie unentdeckt und unbewohnt. Erst 1460 fand der portugiesische Seefahrer Antonio de Noli sie zufällig. Er nannte sie Cabo Verde, nicht wegen der, nie vorhanden, üppig grünen Landschaft sondern weil sie vor dem grünen Kap (Dakar) liegen.
 
Bald wurde die, geostrategisch so bedeutende Lage in der Mitte des Seeweges von Europa nach Südamerika erkannt und die Portugiesen besiedelten die Inseln. Das Leben war hart und wurde beherrscht von Wassermangel, Hunger und Piratenüberfällen. Lange Zeit bestimmte für das Verproviantieren, der Sklaven- und Warenhandel die Geschichte der Inseln. Der Hafen von Ribeira Grande auf Santiago war am bedeutendsten. Im Jahre 1851 begannen die Engländer, die den natürlichen Hafen von Mindelo auf der ansonsten landschaftlich reizlosen Insel Sao Vincente für sich nutzten und bauten große Kohlelager, um die neu aufkommenden Dampfschiffe mit Kohle zu versorgen. Sao Vincente wurde auch zum Stützpunkt für die 1. Telegraphenstrecke zwischen Europa und Südamerika.
 
Im 20. Jahrhundert nutzen die South African Airlines (SAA) den internationalen Flughafen von Sal, der westlichsten Inseln, um auf dem Flug nach New York aufzutanken, da sie auf allen afrikanischen Flughäfen Landeverbot hatte. Auf dieser Insel begann auch eher zufällig der Tourismus. Für die Besatzungsmitglieder der SAA wurde ein Hotel gebaut, traumhaft am weißen Sandstrand gelegen. Die Surfer und Wellenreiter begannen den Wüstenarchipel zu entdecken. Heute stehen die Kapverden als Reiseziel in den Katalogen der großen Reiseveranstalter.
 
Die Insel Sal, ist wie ihre Nachbarinseln, Boavista und Majo eine Wüsteninsel. Sie liegt wie ein Pfannkuchen im Atlantik. Hier ist das touristische Zentrum der Inseln, der Ferienort Santa Maria. Ein heiteres Dorf, das am blendend weißen Sandstrand liegt. Die pastellfarbenen, blauen, grünen, rosafarbenen Häuser bilden einen lebhaften Kontrast zur kargen braungrauen Landschaft.
 
Auf der Insel gab es lange Zeit nur ein paar Häuser um die Saline, die in guten Zeiten viel Geld für die Besitzer erbrachte. Heute arbeiten nur noch ein paar Leute da, der größte Teil der Bevölkerung verdient ihren Lebensunterhalt im Tourismus, beim Fischfang und bei der Fischverarbeitung. Die Saline ist heute eine der wenigen Touristenattraktionen. Neben ihr gibt es noch einen verfallenen Leuchtturm und einen Naturpool, der bei Flut bei jeder Flutwelle mit frischem Wasser gefüllt wird.
 
Wer nicht nur baden und surfen möchte, sondern die Kapverden besser kennenlernen will, fliegt mit den kleinen Maschinen der TACV der kapverdischen Airline auf die andern Inseln.
 
Geologieinteressierte können sich auf der Insel Fogo auf einen Bilderbuchvulkan freuen. Fogo, deren letzter Vulkanausbruch erst einige Jahre zurückliegt, hat ein eigenes Gesicht. Die Inselhauptstadt Sao Felipe ist ein malerisches kleines Städtchen am schwarzen Sandstrand. In der Abenddämmerung sieht man die Nachbarinsel Brava. Die Stadt wirkt mediterran und im Aufbruch. Überall wird renoviert, alles ist frisch gemalt, die Stadt mit den pastellfarbenen Häusern und Palazzos wirkt wie eine Tüte voll Bonbons.
 
Der Kontrast zum Fuß des Vulkans, zu dem wir am nächsten Tag fahren kann nicht größer sein. Die Landschaft ist unwirklich und erinnert an Tolkien´s Land Mordor.
 
Der Fahrer des Sammeltaxis, dass uns zum Fuß des Vulkans mitnimmt, lädt uns zu einem Glas Fogo-Wein ein und will uns auch einen Führer zum Kraterrand besorgen. Am Abend sitzen wir in seinem Haus. Er ist wohlhabend, im Vergleich zu den Bewohnern seines Dorfes. José-Anton ist ein Macher, ein Mann mit Charme und Charisma. Das ist nicht nur von Vorteil für ihn. Er hat acht Kinder, vier mit seiner Frau und vier mit vier anderen Frauen. Im September wird er dreißig.
 
Wenn wir mit ihm über die Insel fahren, winken ihm überall Menschen zu. Er holt Eier ab und liefert den Kohl an, fungiert als Logistik-Manager des Vulkandorfes. Ein paar junge Männer lädt er auf die Bänke seines Pick-Ups und nimmt sie mit hinunter in den Hauptort der Insel. Er vermittelt den Jugendlichen Arbeit als Führer, auch uns hat er einen Jungen empfohlen, mit dem wir am frühen Morgen zum Kraterrand aufbrechen. Der Aufstieg ist hart, da er meist in der Falllinie verläuft. Nach drei Stunden anstrengenden Aufstiegs erreichen wir den Rand. Hier riecht es nach Schwefel wie im Vorhof zur Hölle, aber beim Blick über den Kraterrand sehen wir Liebesgrüße im Vulkan. Hier haben Jugendliche Ihre Liebe mit zu Namen gelegten Steinen verewigt.
 
Der Abstieg ist einfach. Wir laufen über die Vulkanasche nach unten. Bei jedem Schritt rutscht man ein paar Meter bergab, so dauert der Weg hinunter über 1200 Höhenmeter gerade 40 Minuten.
 
Am Abend sind wir wieder in dem kleinen rosafarbenen Palazzo, in dem das Hotel untergebracht ist. Wir genießen diese kleine friedliche Stadt, das gute Essen hier und die nette Bevölkerung, die jederzeit zu einem Schwätzchen auf Portugiesisch, der Amtssprache der Kapverden französisch, englisch oder allen Sprachen gleichzeitig bereit ist.
 
Santiago, der ehemalige Sklavenumschlagplatz ist von allen Inseln die afrikanischste. Während auf den andern Inseln viel vom europäischen Einfluss zu spüren und an der Hautfarbe der Menschen zu sehen ist, herrscht hier eine südliche Wärme und die Menschen sind dunkler als auf allen anderen Inseln. In der Hauptstadt Praia, am südlichen Ende der Insel herrscht auf dem Sucupira-Markt, dem Verkehrsknotenpunkt der Insel lebhaftes städtisches Treiben. Frauen bieten ihre Waren an. Der Thunfisch leuchtet frisch rot, die Bananen sind groß und sonnengelb gereift und es liegt ein appetitanregender Duft nach Gebratenen in der Luft.
 
Mit dem Sammeltaxi, das auf den Kapverden Aluguer heißt, fahren wir über die Insel. Die Menschen im Minibus sind mit sich und Ihren Angelegenheiten beschäftigt, die atemberaubende Landschaft würdigen sie keines Blickes. Lebhaft wird geredet, verhandelt und diskutiert. Das Verkehrssystem ist gut genutzt, die Marktfrauen auf dem Weg in die Stadt, zum nächsten Markt, die Schulkinder auf dem Weg nach Hause, am Sonntag auf dem Weg zum Strand und die Touristen auf dem Weg zu den Sehenswürdigkeiten, alle benutzen die umgebauten Transporter. Für 15 Leute ist so ein Fahrzeug zugelassen, aber 17 oder 20 Menschen sind keine Seltenheit. Oft sitze ich neben der Gans oder dem Huhn, das auf dem Markt einen guten Preis erzielen soll. Die Schulkinder lernen Französisch als erste Fremdsprache und haben viel Spaß daran, mit den Touristen zu üben.
 
Im Inneren der Insel, sieht man viel Kinder barfuß über steinige Feldwege laufen. Die Landschaft ist karg, die Menschen sitzen an der Straße und schauen dem vorbeifahrenden Verkehr zu. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, circa 45%.
 
Am Strand von Tarrafal, dem Erholungsort im Nordwesten der Insel ist die Urlaubsstimmung unbeschwert. Der Ort liegt idyllisch an einem kleinen Palmenhain. Der weiße Sandstrand und die Palmen, die sich leise im Wind bewegen, erinnern an ein Südseeparadies.
 
Die Äpfel der Erkenntnis, von denen der Besucher hier kostet, heißen Armut und Neid. Kinder betteln am Strand. Ein kleines Mädchen bietet mir Ihre gesammelte Muscheln an. Mit Gesten und Brocken von Französisch macht sie mir klar, daß sie nur solche gesammelt hat, die ein Loch haben, sodass ich sie auf einen Faden zur Kette fädeln kann. Obwohl ich keine Muscheln brauche, kaufe ich sie ihr ab; der Gegenwert fünf Bonbons. Rabea ist zehn Jahre alt. Sie geht nicht zur Schule, obwohl allgemeine Schulpflicht herrscht. Aber sie hat verstanden, daß Betteln alleine nicht erfolgversprechend ist. Sie hat die Gesetze der Marktwirtschaft erkannt.
 
Ein ganz anderes, aber nicht weniger beeindruckendes Paradies findet der Besucher auf Santo Antao. Schroffe felsige Berge, durchzogen von den Riberas, den steilen engen sich zum Meer hin öffnenden Tälern, prägen das Bild von Santo Antao, die nördlichste der Inseln. Die Insel ist durch Ihre Lage wetterbegünstigt, da hier die Passatwolken abregnen, wenn sie südlich genug ziehen. Die intensive landwirtschaftliche Nutzung der Insel liegt also schon deshalb sehr nahe. Auf vielen Berghängen erstrecken sich terrassenförmig angelegte Felder. Durch die geringen Regenfälle der letzten Jahre, sehen wir auch oft den Verfall der Mais, Karotten und Zuckerrohr Anpflanzungen. Die Insel ist durchzogen von gepflasterten Wegen, dem Straßennetz, zwischen Dörfern, Äckern und Städten, sodass man sich in einem angelegten Naturpark für Hiker und Biker glaubt.
 
Die Landschaft ist eigentümlich fremd und vertraut zugleich. Mal wirken die schroffen Felsen furchteinflößend, dann wieder dominiert die liebliche grüne Kulturlandschaft. Verträumt liegen kleine Dörfer in den Bergen. Die Bewohner sind freundlich und freuen sich über jeden Gast. Die Kinder spielen laut und unbehelligt. Eine kleine, heile Welt, so glaubt man. Stundenlang laufen wir an der Küste entlang und sind immer wieder überrascht von den neuen gewaltigen Ausblicken, die wir aufs das kobaltblaue Meer und die davor liegenden schwarzen Felsen haben.
 
Santo Antao liegt abgeschieden. Nur zweimal am Tag geht die Fähre, welche die Insel mit dem regelmäßig angeflogenen Flugplatz von Sao Vincente verbindet.
 
Sao Vincente ist landschaftlich reizlos. Nur die mit ihren zerfallenden Häusern und Palazzos einen morbiden Charme verströmende Stadt Mindelo, verleitet hier zum Bleiben. Unser Hotel, ein Juwel des Jugendstils, liegt am Beginn der Uferpromenade, die heute noch erahnen lässt wie die Stadt einst mit dem Kohlenhandel und den Telegrafenstationen geblüht hat.
 
Hier in Mindelo ist das Zentrum der Kapverdianischen Musik, der Mourna, die traurigen Weisen, mit afrikanischem Anklang, die die Kapverden durch die Sängerin Cesaria Evora in der Musik bekannt gemacht haben. Hier findet man an jeder Ecke Musiker, die sich den Rhythmen und der Leidenschaft dieser Musik verschrieben haben.
 
Nach einem erlebnisreichen Inseltrip gönnen wir uns noch ein paar erholsame Tage am Sandstrand von Sal. Es werden Kurse im Kitesurfen angeboten. Dabei saust man mit einem Brett unter den Füßen und einem Gleitschirm in den Händen über das Wasser. Ein prickelnder Abschluss für den Urlaub auf den Krümeln Gottes.

Impressionen von Cabo Verde in der Bildergalerie.